Engelflug
oder: ein ganz bestimmter Duft
Ein Engel fliegt durch die Luft
Verfolgt einen ganz bestimmten Duft
Der ist ihm in die Nase gestiegen
Er sucht und sucht, muss immer weiter fliegen
Er fliegt an einem Fenster vorbei
Da liegen Aromen in der Luft, sogar zwei
Er schaut nach: Datteln und Feigen
Kinder tanzen einen fröhlichen Reigen
Doch es ist nicht der bestimmte Duft
So fliegt der Engel weiter durch die Luft
In einiger Entfernung sieht er ein Feuer
Es ist ihm zunächst garnicht geheuer
Beißender Rauch nebelt ihn ein
Falscher Duft, ist nicht fein
So fliegt der Engel weiter durch die Luft
Immer noch auf der Suche nach dem Duft
Ganz in der Nähe steht ein großes Wesen
Schrecklicher Duft, ist hier was am verwesen?
Auf dem Rücken hat es zwei große Höcker
Um den Hals ein Tau, festgebunden an dicken Stöcker
Dies ist nicht sein bestimmter Duft
Und er fliegt weiter durch die Luft
Da fliegt er über drei wundersame Edelleute
Geschenke tragen sie, sieht aus wie ne königliche Meute
Wunderbarer Duft steigt zu ihm hinauf
Ein anderer hat Goldstücke dabei zu Hauf
Doch auch dies ist nicht sein Duft
So fliegt er weiter durch die Luft
Garnicht weit davon nimmt er Witterung auf
Und hört Geblöke und Geschrei zuhauf
Es kommt aus einem kleinen Bretterhaus
Davor ein nervöser Mann und im Dreck ne kleine Maus
Dort könnte er sein, der bestimmte Duft
Es ist nur noch ein kurzer Weg durch die Luft
Endlich ist er dort angekommen
Im Dunkel sieht er einen Ochsen etwas verschwommen
Daneben ein Futtertrog mit etwas kleinem drin
Doch es ist kein Heu, sondern ein kleines Kind
Da passiert es: ein leises aber hörbares Pups liegt in der Luft
Der Engel schnüffelt, rümpft die Nase, „Das ist der Duft!“
Noch lange beobachtet er im Stall das nächtliche Treiben
Ein heller Stern leuchtet, ein Schaf, Hirten, welch ein Gästereigen
Noch Generationen von Engeln erzählen von diesem Duft
Und unser Engel fliegt noch viele Weihnachten durch die Luft.
(c) Stefan Köhler-Holle